ZERO

Theorie

Eve Aschheim, Ohne Titel, 2000, Tusche auf Lithographie auf Aquarellpapier, 28,5 × 31,2 cm

Eve Aschheim, Ohne Titel, 2000, Tusche auf Lithographie auf Aquarellpapier, 28,5 × 31,2 cm

Christian Megert, Ohne Titel (Spiegelcollage), ohne Jahr, 70 × 50 cm

Christian Megert, Ohne Titel (Spiegelcollage), ohne Jahr, 70 × 50 cm

Der zweite Weltkrieg hinterließ Narben in der europäischen Gesellschaft, auch in der Kunst. Das nationalsozialistische Regime in Deutschland und die Kriegszeit nahmen der künstlerischen Szene über ein Jahrzehnt lang jegliche Möglichkeiten der Entwicklung. Was nicht dem politischen Ideal entsprach, wurde verboten: Insbesondere expressionistische Werke und Arbeiten jüdischer Künstler wurden von den Nationalsozialisten als „entartet“ verunglimpft unterbunden und aus den Museen entfernt. Von der politischen Führung gewollt waren figurativ-realistische Bilder, aber keine neuen Ausdrucksformen von Emotionen oder gar politisch abweichenden Weltbildern.

Die Künstler des 20. Jahrhunderts sahen sich mit dem Ende des zweiten Weltkrieges einer künstlerischen Leere gegenüber. Ein Großteil deutscher Museen lag in Trümmern, Sammlungen mussten erst mühsam wiederaufgebaut werden. Gleichzeitig bedeutete dies für einen Kunstschaffenden zu der Zeit auch die Möglichkeit, losgelöst von der Vergangenheit völlig neue Techniken auszuprobieren und eigene Richtungen einzuschlagen. Viele avantgardistische Künstler knüpften daran an, was vor Beginn des Krieges unterdrückt und diskreditiert worden war: Abstraktion. Hier ging es nun nicht mehr darum, wie viele Jahrhunderte zuvor, möglichst naturgetreu, beschönigend oder realistisch zu malen – ehrliche Empfindungen sollten das Bild dominieren. Die Künstler nach dem zweiten Weltkrieg fühlten sich nicht mehr an realistische Formen und Farben gebunden. Techniken der Malerei sollten dem Ausdruck ihrer subjektiven Perspektive dienen. Auch Traumata des Krieges konnten nun sichtbar gemacht werden.

Trotzdem blieb die expressionistische und abstrakte Kunst als Neuanfang ein westliches Phänomen – im Osten wurde weiterhin realistisch gemalt. Aber Wettbewerb gab es im Westen schon genug. Da Deutschland in der Kriegszeit viele Fortschritte verpasst hatte, mussten Wege gefunden werden, vor allem mit der amerikanischen Konkurrenz und Kulturlandschaft mitzuhalten. Ein Meilenstein hierfür war die erste documenta. Die heute weltweit bedeutendste Ausstellungsreihe für zeitgenössische Kunst nahm 1955 auf Initiative des Künstlers Arnold Bode (1900-1977) in Kassel ihren Anfang. Sie sollte Antworten bieten können auf die Frage nach der Gegenwartskunst in Europa und gleichzeitig fiel ihr die Rolle der ersten Ausstellung moderner Kunst in Deutschland zu, nach der „Entartete Kunst“-Ausstellung 1937 in München. Bode schaffte es, das Museum Fridericianum, welches nach dem Krieg von innen kaum noch als solches zu erkennen war, so zu inszenieren und herzurichten, dass es die ausgestellten Bilder und Skulpturen in ihrer Wirkung unterstützte.Mit seinen Design-Lösungen für den Ausstellungsraum in schwarz, weiß und grau begeisterte er die Besucher der ersten documenta – obwohl die Kunst teilweise vor unverputzten Backsteinwänden ausgestellt war. Die ursprüngliche Low-Budget-Ausstellung hat heute einen Etat von 37 Mio EUR und begeistert mehr als 900.000 Besucher.

Ferdinand Spindel, Ohne Titel, ohne Jahr, Rosa Puschel in Einmachglas, 23,5 × 11 × 13,5 cm

Ferdinand Spindel, Ohne Titel, ohne Jahr, Rosa Puschel in Einmachglas, 23,5 × 11 × 13,5 cm

Als Schauplatz der zeitgenössischen Kunst zeigte die documenta auch, dass die Künstler in ihren Arbeiten mit vielen alten Regeln gebrochen hatten. In der Kunstszene tauchten vermehrt Werke wie beispielsweise von Angelo Savelli (1911-1995) auf, die komplett in weiß gehalten sind. Weiße Strukturen werden auf weißem Grund abgebildet. Erkennbar wird das Gemalte durch die unterschiedlichen Texturen und Konturen des Pinselstrichs. Auch in der sich schnell wandelnden Moderne war die „weiße“ Kunst etwas vollkommen Neues.

Herbert Zangs, „Antibuch“, 1973, Drahtgitter, Papiertüte, Draht und Nagel, 118 × 120 × 18 cm

Herbert Zangs, „Antibuch“, 1973, Drahtgitter, Papiertüte, Draht und Nagel, 118 × 120 × 18 cm

Hinzu kam immer häufiger die Verwendung von Alltagsgegenständen zur Herstellung von Skulpturen und Installationen. Bei der vierten documenta installiert der Schweizer Künstler Christian Megert (*1936) „Spiegelräume“. Er verwendet Spiegel und Glas in seinen Werken. Ferdinand Spindel (1913-1980) benutzte Schaumstoff für seine Kunst. Die Wirkung eines Werkes im Raum wurde maßgeblich.