Ateliergespräch - Okuda San Miguel
Lieber Okuda, Deine Kunst ist international derzeit sehr gefragt. Welche Groß-Projekte hast Du jüngst realisiert?
Zuletzt haben wir ein wunderbares Kunstprojekt, eine Transformation eines amerikanischen Wohnhauses in das Kunstwerk „Rainbow Embassy“ in Fort Smith, Arkansas fertig gestellt. In Manhattan habe ich in Zusammenarbeit mit dem Mode-Label Desigual die Fassade eines großen Gebäudes gestaltet. Nun bin ich im Studio in Madrid und plane mit dem Team die neuen Projekte.
Du hast in der Vergangenheit auch Events in Miami, New York oder Ibiza und die MTV Music Awards Europe mit Deiner Kunst ausgestattet. Wird man von der Sammler Szene als Künstler trotzdem noch ernst genommen?
Ich denke schon. Die angesprochenen Koas-Garden Events und der 'Los 40 Music
Award' haben super viel Spaß gemacht. Dort habe ich Kulissen, Commercial-Spots etc. gestaltet. Dennoch möchte ich nicht als ernsthafter Künstler gesehen werden. Ich mag eigentlich die sogenannten ernsthaften Künstler gar nicht. Ich möchte Spaß bei der Kunst haben und ich glaube das sieht und spürt man auch.
Wir sehen hier eine wundervolle Kooperation mit Antonio/ The Dulk, einem weiteren Street Art-Künstler aus Valencia. Ihr beide thematisiert in euren Werken häufig Natur und Tiere. Macht euch die derzeitige Situation unseres Planeten Angst? Was ist eure Botschaft?
Die Kooperation mit The Dulk ist eine der besten meines Schaffens, wir haben eine Art vergleichbarer Sprache, ähnliche Symbolik, aber unterschiedliche Techniken. Antonio ist ein großartiger Künstler, unglaublich begabt, er beschäftigt sich wie ich viel mit Tier-Motiven. Perfekt – es wäre gut, wenn wir öfter zusammenarbeiten. Wir sind beide super happy
über die Kooperation. Mir öffnet das völlig neue Horizonte. Meine Kunst beschäftigt sich immer mit Transformation und Mutation, von Menschen und Tieren. Aber die Menschen zerstören alles. Meine Transformationen zeigen unsere Verbindung und meine Botschaft ist: Schützt die Natur, tötet nicht sinnlos die Tiere, beispielsweise durch Plastikmüll in den Ozeanen. Das ist nicht Evolution. Evolution bedeutet, respektvoll mit der Natur und den Tieren umzugehen.
Antonio/The Dulk: Diese Zeit der Zusammenarbeit war großartig. Erst getrennt auf Basis von Skizzen unserer Idee, die wir auf Entfernung zusammengefügt haben. Später zusammen hier im Studio von Okuda in Madrid. Es hat Spaß gemacht, aus diesen Ideen zwei einzigartige Kunstwerke zu erschaffen. Ein Gemälde und eine große Skulptur, auf Entfernung – aber wir haben es hinbekommen. Die Herausforderung lag in unseren unterschiedlichen Stilen; daraus etwas Harmonisches hinzubekommen war nicht leicht. Okudas Stil ist sehr grafisch und hat viele geometrische Bestandteile und spezielle Farbpaletten, mein Stil ist sehr organisch mit weichen Farben. Aber das Ergebnis ist großartig und das große Gemeinschafts-Werk ist auch schon an einen Sammler verkauft. *lacht zufrieden*. Ich reise also bald weiter nach Neuseeland für ein Mural Projekt.
Okuda, Du kooperierst häufiger mit anderen Künstlern? Was inspiriert Dich an der Zusammenarbeit mit „The Dulk“? Was gefällt Dir besonders?
Ich mache diese Kooperationen sehr gern. Ich habe mit meiner Kunst in den Straßen angefangen, das ist 20 Jahre her. Auf der Straße war ich Regisseur, Direktor aller Sprayer, wenn wir in einer Gruppe „Murals“ gesprüht haben. Deshalb liebe ich diese Kooperationen heute noch, es ist wie früher. Bei The Dulk schätze ich seine Technik und die Qualität seiner Werke sehr. Er ist großartig.
Könntest du einen toten Künstler zum Leben erwecken – mit wem würdest Du zusammenarbeiten wollen?
Ich würde es sehr lieben, wirklich lieben mit Salvador Dalí, Hieronymus Bosch und René Magritte zusammenzuarbeiten, mit diesen drei Legenden – ach, und mit Keith Haring.
Ist der traditionelle Kunsthandel ein Vertriebsweg für Dich oder sind heute andere Wege zu beschreiten – wie zum Beispiel Social Media?
Ich bin mit meinen Werken vorbei am klassischen Kunstmarkt auf einen neuen Weg gelangt. Meine Kunst sieht man auf der Straße. Wir sind mit dem Internet aufgewachsen und wir nutzen das Internet. Der Kunstmarkt ändert sich. Meine großen Sammler reisen nicht mehr so häufig zu den Galerien. Viele kaufen die Werke via Internet direkt aus meinem Studio.
Street Art ist nur selten für die Ewigkeit. Sie wird gestohlen, verbaut, verwittert, übertaggt. Wie fühlt sich das für Dich an?
Der Start meiner Karriere begann auf der Straße. Ich habe gesehen, wie sich meine Werke entwickeln. Häufig habe ich alle zwei Wochen dieselbe Wand übermalt und sie wurde jedes Mal wieder übermalt. Heute habe ich den Vorteil, dass ich unglaublich große Gebäude bemale und niemand diese Werke einfach übermalen kann, nur das Wetter verändert ein wenig die Farben. Diese Werke sind dann für die Ewigkeit. Ich kann das Gesicht einer Stadt nachhaltig mit meiner Kunst verändern. Das empfinde ich als eine faszinierende Idee.
Spendet es Dir dabei Trost, dass Du sicher sein kannst, dass Du in Sammlungen vertreten bist, die dafür Sorge tragen werden, dass Deine Kunst physisch Bestand haben wird?
Ja, das ist mir sehr wichtig. Diese jungen Sammler kommen in mein Studio, besuchen mich, sie lieben die Werke, kaufen und kümmern sich um sie. Und ich habe vor einer Weile eine U-Bahnstation in Madrid gestaltet, super, ein sehr großes Werk – unterirdisch geschützt und konserviert, wenn man das so sehen will. Meine heutige Kunst hat also Bestand.
Siehst Du Deine Kunst auch als Geldanlage für Sammler oder zerstört der internationale Kunstmarkt dem Freiheitsgedanken von Street Art Deiner Meinung nach?
Der Internationale Kunstmarkt beschäftigt sich gerade sehr mit Street Art und bringt die Werke der Künstler aus den Studios zu den besten internationalen Messen. Street Art ist die jüngste Evolutionsstufe der Kunstgeschichte. Das ist ein sehr wichtiger Schritt für die Kunst.
Urban Art unterscheidet sich stark von den Strukturen des akademischen Kunstbetriebs. Dein Wirken steht unter diesem Trend-Label, obgleich Du ein im traditionellen Sinne akademisch ausgebildeter Künstler bist. Hältst Du diese Kategorisierung für relevant?
Das ist meiner Meinung nach nicht so wichtig. Ich habe vieles gelernt, mich mit Kunstgeschichte beschäftigt und mich weiterentwickelt, aber am meisten habe ich auf der Straße gelernt. Mein Stil hat sich dort entwickelt, meine speziellen Formen. Mir ist meine eigene künstlerische Ausdrucksweise wichtig, ein einzigartiger Stil ist das wichtigste. Ich habe an der Uni und auf der Straße gelernt, aber ich beurteile Kunstwerke eines Künstlers nicht danach, ob er studiert hat.
Du hast ein Team von Mitarbeitern und Deine Werke werden zum Teil am Computer entworfen. Es gibt also eine Okuda-Factory. Bist Du als Künstler somit auch Unternehmer?
In meinem Studio arbeiten bis zu 20 Leute mit unterschiedlichen Aufgaben und Fähigkeiten und natürlich mein Manager. Wir arbeiten seit 18 Jahren zusammen. Sie alle helfen mir bei internationalen Projekten oder Kunstwerken im Studio. Wir können diese Projektgröße sonst nicht realisieren. Heutige Künstler brauchen Unterstützung, um das zu verwirklichen, was sie geplant haben.
Kunstkritiker bewerten Unverkennbarkeit im Stil als ein relevantes Bewertungskriterium für die Relevanz zeitgenössischer Kunst. Um im Unternehmer-Jargon und bei der Okuda-Factory zu bleiben, könnte man sagen, Du hast Dich zur Marke entwickelt. Gibt Dir dies Freiheit oder schränkt es Dich ein?
Ich fühle mich nicht in einer Art selbstgemachten Käfig gefangen. Ich verändere mich und mein Werk befindet sich in einem kontinuierlichen Evolutions-Prozess. Wenn ich feststelle, dass dieser Prozess anhält, dann verändere ich Dinge. Wir ziehen zum Beispiel bald in ein größeres Studio, ich arbeite an neuen Techniken. Ich brauche neue Dinge, um glücklich zu sein. Aber immer in meiner visuellen Sprache, die jeder erkennt.
Du verdienst zurzeit gut. Was ist für Dich Luxus?
Ich kümmere mich nicht so sehr um Geld. Ich arbeite viel und bekomme Geld, aber mein Luxus ist abgesichert zu sein. Ich kann für meine Familie sorgen. Vielleicht gebe ich meiner Familie mehr Luxus als mir selbst. Ich möchte weiter reisen und meine Projekte realisieren. Mein Luxus ist mein Team und mein Studio und die Weiterentwicklung, ein wenig ausgefallene Klamotten. Hinzu kommt meine eigene Kunstsammlung – eine super Kunstsammlung, die ich gerade aufbaue.
Welche Rolle spielen soziale Projekte in Deiner Arbeit?
Ich habe verschiedene soziale Projekte im Ausland realisiert, mit Jugendlichen an Murals gearbeitet, auch in Indien und Afrika. Mir ist das wichtig als Balance zu den Großprojekten. Ich muss mich da ausbalancieren. Das sind tolle Erfahrungen, wenn Du dann in die Augen der Kids schaust. Das kannst Du nicht mit Geld bezahlen.
Eine letzte Frage: Was ist Deiner Meinung nach die Aufgabe eines Künstlers in diesem Jahrhundert?
Das kann ich nur für mich beantworten: Ich möchte die Welt durch meine farbenfrohen Werke etwas verbessern. Eine positive Botschaft an die Menschen senden: Coloring the World!