Ateliergespräch Roy Lichtenstein

Die Albertina in Wien zeigt noch bis Juli 2024 die Ausstellung ‚Roy Lichtenstein – Zum 100. Geburtstag‘. Bereits im vergangenen Jahr fand ich ein Tonband aus meiner Schulzeit. Es trug den Titel ‚Pressekonferenz Roy Lichtenstein, Hbg. 09. Februar 1995‘. Da die Schülerzeitung für die ich den Termin wahrgenommen hatte, zum Zeitpunkt der möglichen Veröffentlichung bereits wieder eingestellt worden war, habe ich das Transkript erst jüngst erstellt und an das Estate of Roy Lichtenstein nach New York geschickt. Die Managerin of Intellectual Property Mrs. Shelley Lee informierte mich dann im Februar dieses Jahres, dass das Gespräch in das Archiv des Estate aufgenommen und die Veröffentlichung für die Spiegelberger Stiftung gestattet wird. Fast drei Jahrzehnte nach dem Tod von Pop Art Legende Roy Lichtenstein handelt es sich bei diesem Interview also um eine Erstveröffentlichung. Old but gold! Die Gelegenheit dieses Gespräch zu führen ergab sich dank der Unterstützung des damaligen Direktors der Hamburger Deichtorhallen Zdenek Felix. Da es im Rahmen der Pressekonferenz neben der Anfrage der Schülerzeitung des Gymnasiums Trittau keine weiteren Einzelinterviewtermine gab, wurde diesem Wunsch kurzerhand entsprochen. Der Künstler zeigte sich seinerseits spontan dazu bereit und gewährte gut gelaunt einen Einblick in seine künstlerische Arbeit.

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Lieber Herr Lichtenstein, wir sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich die Zeit für ein kurzes Interview für eine Schülerzeitung nehmen. Wir wissen, dass Sie viele wichtige Termine haben, deshalb sind wir auch Ihnen, Herr Felix, dankbar für Ihre Unterstützung. Die Deichtorhallen wurden vor etwa fünf Jahren, am Tag des Mauerfalls in Berlin, als Ausstellungshalle eröffnet. Davor waren es Obst-, Gemüse- und Blumenmarkthallen. Wie fühlt es sich an, hier auszustellen?

Ich mag Blumen und Obst. Es gibt sogar Bilder von mir, wie ich diese Motive male. In der Tat ist hier eine tolle Ausstellungshalle in guter Lage entstanden. Die großzügige Architektur tut den Bildern gut, und das Licht ist perfekt für die Farben.

Ja, Ihre Werke wirken hier wunderbar! Haben Sie als junger Künstler Pop Art gemacht?

Nein, in meiner Schule gab es keinen Kunstunterricht. Aber ich habe mich sehr für das Zeichnen interessiert. Am Anfang meiner künstlerischen Arbeit habe ich Themen wie Cowboys und Indianer bearbeitet, aber das waren Interpretationen von historischen Gemälden. Später folgte eine Phase der abstrakten Malerei, in der dann erste Comic-Bilder entstanden. Meinen Stil habe ich 1961 gefunden.

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Das war auch die Zeit, als Mickey und Donald ins Spiel kamen. Aber das war doch schon Pop Art, oder nicht?

Heute würde ich sagen, dass dies wichtige Pop-Elemente sind. Damals gab es noch viel abstrakt-expressionistische Malerei, und dann Rauschenberg und Johns mit ihren Bierdosen und Cola-Flaschen. Aber nicht jeder hat das, was da entstanden ist, als Kunst ernst genommen.

Schauspieler, Musiker und Künstler haben oft Probleme, ihre Eltern dazu zu bringen, ihre Berufswünsche zu akzeptieren. Wie war das bei Ihnen?

Meine Eltern hatten keine grundsätzlichen Einwände. Aber ich kann auch nicht sagen, dass sie sehr begeistert waren. Natürlich hatte ich eine romantische Vorstellung vom Künstlerleben, aber nur sehr wenige Menschen werden tatsächlich Künstler.

Als Schülern wird uns beigebracht, dass Comics trivial sind. Wie denken Sie darüber?

Comics beschäftigen sich mit allen Themen des Lebens. Auch wenn sie keine emotionalen Darstellungen sind, zeigen sie Liebe, Hass, Freude oder Glück. Manche handeln auch vom Krieg. Es steckt also eine Menge in ihnen. Es gibt zudem eine andere Ebene durch die Textelemente. Manche Botschaften gibt es in dieser Form nur in Comics.

Was ist Ihnen lieber, Punkte oder Streifen?

So stellt sich mir die Frage nicht. Die Punkte waren für mich einfach zuerst da. Sie sind ein wichtiges Element des Drucks. Die Streifen habe ich erst später verwendet. Aber zusammen funktionieren sie extrem gut. Der Punkt ist, dass beides Mittel sind, mit denen Werbegrafiker ihre Bildsprache definieren und Botschaften stilisieren. Auch wenn das in der Regel nicht sehr nah an der Realität der Dinge ist. Interessanterweise hat jeder diese Bildsprache gelernt, und jeder versteht diese Botschaften.

Viele Ihrer Werke sind lustig und geben mir ein gutes Gefühl. Stört es Sie, wenn Ihre Kunst so gesehen wird?

Natürlich sind viele Dinge, die ich thematisiere, humorvoll. Das ist oft sogar der Ausgangspunkt für ein Werk. Aber wenn die Themen nicht ernst sind, heißt das nicht, dass die Kunst nicht ernst sein kann. Nur weil das Sujet für mich in einigen Werken nicht wichtig ist, kann ich es trotzdem künstlerisch ernsthaft behandeln. Dann gibt es natürlich auch oft noch eine ironische Ebene, die mir wichtig ist.

Haben Sie eine Lieblingsfarbe?

Es gibt viel Grün in meinen Bildern. Aber auch die Grundfarben Gelb, Rot und Blau. Natürlich brauchte ich auch Schwarz und Weiß, zum Beispiel für die Linien. Meine Farbpalette musste am Anfang sehr einfach sein. Das hatte auch mit den Drucktechniken zu tun. Heute verwende ich viel mehr Farben.

Was genau ist Pop Art?

Ich würde sagen, die Verwendung von kommerzieller Kunst in der Malerei zu thematisieren. Pop Art greift alles auf und thematisiert alles, was uns im Alltag umgibt, ohne es zu bewerten. Deshalb fühlen sich die Menschen von ihr berührt. Der Impressionismus oder andere historische Stile werden dagegen oft als thematisch sehr weit weg wahrgenommen. Sie mögen zu ihrer Zeit romantisch gewesen sein, aber für den heutigen Großstadtmenschen stellen sie ein unrealistisches Szenario dar.

Sie haben Künstler wie Cézanne, Picasso oder Matisse interpretiert. Warum reizte Sie das?

Weil sich auch meine Kunst auch auf die Kunstgeschichte bezieht, aber eben in meinem Stil und mit meinem Witz. Kunst baut immer auf Kunst auf. Ich interpretiere, was mich interessiert und mache es zu meiner Kunst. Es handelt sich also nicht um eine ehrfürchtige Kopie eines früheren Meisters. Trotzdem ist es auch ein Ausdruck von Wertschätzung. Auch das ist Pop.

Ihre Arbeiten sind sehr präzise ausgeführt. Ist das auch spontan möglich, oder wie entstehen sie?

Das ist richtig. Meistens gibt es eine Vorzeichnung. Wie ich schon erklärt habe, arbeite ich mit einer Projektion der Vorlage auf die Leinwand. Im nächsten Schritt collagiere ich die Elemente, die sich später im Bild wiederfinden werden, wie Streifen, Punkte oder Farbflächen. Erst dann beginne ich zu malen.

 

Lieber Roy Lichtenstein. Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen eine schöne Zeit in Hamburg und natürlich eine erfolgreiche Ausstellung.

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Das Interview mit dem Künstler wurde von Rene Spiegelberger im Anschluss an die Pressekonferenz am 9. Februar 1995 in den Deichtorhallen in Hamburg geführt. Das vollständige Interview finden Sie wie gewohnt auch auf der Seite Stiftungswebsite www.part.foundation – © Estate of Roy Lichtenstein