Ateliergespräch Rubica von Streng

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Die Künstlerin Rubica von Streng studierte Malerei an der Universität der Künste Berlin. Ihre Werke waren bereits in der Kunsthalle Düsseldorf, dem digitalen NFT Museum Musee Dezentral und dem Haus der Kunst München zu sehen. In unserem Gespräch verrät Sie welche vielschichtigen Themen Sie in ihrem vom Abstrakten Expressionismus geprägten Werk verhandelt. 

Liebe Rubica von Streng, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Ateliergespräch nehmen. Gerade kommen Sie von Ihrer Ausstellungseröffnung der Solo-Show Totentanz in der Kulturkirche St. Jakobi in Stralsund zurück. Mit 41 Gemälden und 14 Plastiken ist es eine wirklich große Ausstellung geworden. Hat alles so geklappt, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Sogar noch viel besser. Das Besucherecho war überwältigend. In Gesprächen mit den Eröffnungsgästen habe ich erfahren, wie wichtig die Gemälde des Zyklus gerade in der heutigen Zeit sind. Mit dieser Art von Resonanz hatte ich nicht gerechnet. Es ist wunderbar, dass meine Arbeiten so viele Menschen dazu bewegen, sich mit dem Thema zu befassen. Der Tod wird in unserer Gesellschaft ja gerne verdrängt. Die Ausstellung hat auch durch das Begleitprogramm den Besuchern die Möglichkeit gegeben auch ganz persönliche Perspektiven zu diesem Thema zu teilen. Das hat mich sehr gefreut.

In einer Kirche Werke auszustellen, die um das Lebensende, den Exitus oder den Tod kreisen, ist sehr passend. Sind ortsspezifische Synergien zwischen dem sakralen Gebäude St. Jakobi und Ihren Arbeiten entstanden?

Es sind starke Synergien entstanden, die sich etwa darin äußerten, dass ich wesentlich weniger Zeit für die Hängung der Werke brauchte, als ich angenommen hatte. Gründe dafür sind die spezielle Architektur und die bewegte Geschichte von St. Jakobi, einer nahezu vollständig entkernten gotischen Kirche, an deren Wänden noch überall die Spuren der Vergangenheit und des Verfalls zu sehen sind. Es ist ein fragiler und komplett anderer Ort als zum Beispiel der oft übliche White Cube. Leider gibt es nur noch sehr wenige oder gar keine Orte die der Trauer und Trauernden vorbehalten sind. Die Friedhofs- und Bestattungskultur ist gerade stark im Wandel. Hier in Berlin gibt es eine klare Tendenz hin zu mehr und mehr Anonymität. Auch Hinsichtlich solcher Aspekte ist der Kirchenraum als Ort der Stille und Konspiration für die Ausstellung von Totentanz sehr geeignet.

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Im Ausstellungskatalog Totentanz kann man nachlesen, dass Sie sich seit 2017 mit dem Thema des Tanzes mit und für den Tod auseinandersetzten. Hat sich der Zyklus im Lauf der Jahre geändert, gerade im Angesicht humanitärer Krisen wie der Corona-Pandemie? 

Der Zyklus war bereits abgeschlossen, bevor die Pandemie ausbrach. Insofern, nein. Mit dem Thema habe ich mich allerdings schon viel früher befasst. Vorangegangen sind intensive Recherchen, Gespräche und die konzeptuelle Entwicklung des Zyklus. Durch die Corona-Pandemie bekam eines meiner Bilder, das 2018 entstandene Werk Infected, jedoch eine ganz neue Aktualität. Damit konnte natürlich niemand rechnen. Das Wort „Totentanz“ ist eine Art Medienerscheinung und ist historisch durchaus auch von Seuchen wie der Pest geprägt worden. Im 13. und 14. Jahrhundert war die Pest allgegenwärtig und die Menschen haben nur von einen Tag zum nächsten gedacht. Das hat sicherlich dazu geführt, dass das Leben viel intensiver wahrgenommen wurde. Heute müssen wir uns fragen: denken wir nicht vielleicht auch viel zu kurz im Angesicht der nicht mehr aufzuhaltenden Klimakrise?

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Das ist eine wichtige, aber auch schwere Frage. Gibt es denn auch Momente in Totentanz, in denen das Leben, die Geburt und der Neuanfang gefeiert werden?

Mir war es wichtig bei der Serie Ort- und Zeitlosigkeit darzustellen. Ich bin davon wegkommen, dass der Tod uns holen kommt, wie es früher in der Bildsprache zu diesem Thema üblich war. In manchen Bildern kommt auch der Knochenmann oder die Knochenfrau vor, aber nur wenn es darum geht, dass Menschen ihre Mitmenschen töten, denn letztlich kommt uns keine menschliche Gestalt holen. Das ist nicht unbedingt zeitgemäß. Der Blick in die Natur zeigt uns, der Tod ist zwar allgegenwärtig, aber es ist ein ständiger Kreislauf. Es ist wie ein ständiger Tanz von Entstehen und Vergehen, wenn man so will. Im Übrigen handelt es sich bei Totentanz um einen Zyklus, der sich nicht ausschließlich um das Lebensende dreht. Und überhaupt: Wann beginnt das Lebensende eigentlich? Fängt es nicht womöglich bereits mit der Geburt an?

Neben Ihren Gemälden zum Thema haben Sie mit der Serie Famous Last Words auch eine Reihe von Plastiken geschaffen, die namhafte letzte Worte eindrucksvoll in Szene setzen. Wie wichtig ist es, dass wir mit unserem letzten Atemzug noch etwas Bemerkenswertes äußern?

Ob es wichtig ist, mit dem letzten Atemzug etwas Wesentliches zu sagen, das kann ich nicht entscheiden. Ich denke aber, dass wir beim Umgang mit dem Thema Tod den Humor nicht ausklammern sollten. Die Plastiken der Serie Famous Last Words haben etwas Skurriles, Makabres – übrigens ganz im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des „Danse macabre“. Oder meinen Sie, dass Jack Daniel am Ende seines Lebens nach einem letzten Drink gefragt hat? Vieles, was Verstorbenen im Nachhinein in den Mund gelegt wird, müssen sie ja gar nicht wirklich gesagt haben.

Gerade haben Sie die Klimakatastrophe angesprochen mit dem sich auch Ihr Werkzyklus PortLand beschäftigt. Es geht es um die Gefahren und unsere ungewisse, gefährliche Zukunft auf dem Planeten Erde, bei Totentanz um das unvermeidliche Lebensende, das uns allen bevorsteht. Wie passen diese unheilvollen Themen zu Ihrer farbenprächtigen, zugänglichen Bildsprache?

Zum einen geht es in PortLand um mehr als nur die ungewisse Zukunft unseres Planeten, zum anderen ist eine Auseinandersetzung mit dem Tod kein unheilvolles Thema. Beide Werkzyklen blicken vielmehr auf die Realität unseres Daseins. Und die kann durchaus farbenprächtig sein. Hinzu kommt, dass es sich bei PortLand um imaginierte Porträts künftiger Landschaften handelt, deren Farb- und Formgebung womöglich überraschend anders sind, als man es erwartet. Viele künstlerische Positionen zu Themen wie der Klimakrise oder anderen existenziellen Fragen kreisen um deren beunruhigende Aspekte – diese Sichtweise finde ich zu eingeschränkt. Wichtig ist mir nur, dass wir die Augen nicht vor der Realität verschließen, sondern uns mit ihr konfrontieren. Es geht in PortLand auch um gute Aussichten: nicht etwa naiv gemeint, sondern lebensbejahend und kämpferisch.

Ihre oft vertikal ausgerichteten Gemälde erinnern nicht nur stilistisch, sondern auch kompositorisch und farblich an den Meister des Abstrakten Expressionismus, Cy Twombly. Welche anderen Künstler inspirieren Sie?

Schön, dass meine Arbeiten bei Ihnen diese Erinnerung wecken. Mit Twomblys Malstil und vor allem mit seinem Werk Arcadia habe ich mich zu Beginn meines Studiums intensiv auseinandergesetzt – natürlich auch mit anderen Künstlern des Abstrakten Expressionismus. Wie der Künstlerin Agnes Martin die mich mit ihrer Arbeit beeinflusst hat. Ihre Werke sind sehr still, aber mit einer besonderen Farbigkeit, aber auch ihre persönliche Einstellung ist inspirierend. Es ist immer ein Potpourri an Einflüssen, aus dem ich – aufbauend auf meiner eigenen Technik und Sichtweise – etwas Neues entwickele.

Ihre Gemälde sind in Ebenen komponiert, die Schicht für Schicht neue Farbklänge erzeugen. Wie genau entstehen Ihre Bilder?

Ich nenne den Prozess Arpeggio-Maltechnik. Wie bei einem musikalischen Akkord, bei dem die einzelnen Töne kurz hintereinander gespielt werden und am Ende doch einen Gesamteindruck hinterlassen. So verhält es sich mit den verdünnten Ölfarben, die – wie Noten – übereinander gestapelt auf der Leinwand landen. Übrigens nicht aleatorisch-chaotisch, sondern – um bei der Musik zu bleiben – wie eine Fuge von beispielsweise Max Reger: Jeder Ton, jede Farbe befindet sich in der Nachbarschaft anderer Töne, anderer Farben und steht mit ihnen in Beziehung.

Wenn ich mich in Ihre Arbeiten vertiefe, fällt mir eine Sache besonders auf: Ihre Liebe zur Farbe Rot in all ihren Tönen. Was hat es damit auf sich?

Gut beobachtet. Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher, weshalb das so ist. [lacht] Während meines Studiums hatte ich eine monochrome Phase. Die erste Farbe die nach dieser Zeit wieder in meine Werke kam war Rot. Nach und nach wurden es mehr und mehr Farben.

Verraten Sie uns zu guter Letzt etwas über die kommenden Projekte, die Sie planen?

Momentan arbeite ich gerade am dritten Teil des PortLand-Zyklus, Beyond PortLand, und bereite dazu eine Ausstellung vor, die eventuell noch in diesem Jahr gezeigt wird. In Beyond PortLand geht es um die Zukunft und künftige Gedanken, die niemand vorausahnen kann. Das ist dystopisch, aber gleichzeitig geht es auch ganz konkret um neuen Lebensraum, den wir uns aufgrund des Klimawandels erschließen werden müssen.

Das klingt spannend, da bleiben wir gespannt und freuen uns auf Neues von Ihnen. Vielen Dank!

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Das Gespräch mit der Künstlerin führten Nora Niefanger und Rene Spiegelberger im Mai 2023. Mehr Informationen über das Werk von Rubica von Streng finden Sie unter www.rubicavonstreng.com  und auf Instagram unter @rubica_von_streng.