Ateliergespräch - Martin Spengler
Lieber Herr Spengler, in einem früheren Gespräch antworteten Sie auf die Frage, ob Sie nun Bildhauer oder Maler seien, dass eigentlich beides nicht passe, „Macher“ aber durchaus zutreffe.
Künstler passt. – Ja, das ist schwierig, das mit dem Macher war mir wichtig, um damit eine gewisse Grundposition zu verdeutlichen. Ein Macher ist ja auch ein Stück weit von seinem Handlungsdrang getrieben. Er muss und will nach seinen Ideen handeln, spezifisch gesprochen in meinem Fall also Künstler. Hierbei geht es mir nicht vordringlich darum, mit welchen Materialien ich arbeite.
Ihnen geht es um Strukturen, und den Weg dorthin beschrieben Sie als eine Art alchimistischen Prozess. Finden sich in Ihrem Atelier neben Cutter-Messern und Wellpappe also auch Schwefel und Silber oder wie ist das gemeint?
Das beziehe ich darauf, dass ich weder gedanklich noch in meiner Materialität eingetretene Pfade beschreiben möchte und mich dadurch nicht durch klassische Konventionen bei diesen Themen einschränken lassen will. Mein künstlerischer Versuch strebt immer nach dem Experiment, durch das ich zu einem offenen Ergebnis gelange und das auch gelegentlich erst noch zur Kunst umgeformt werden muss, nachdem es mich überrascht hat.
Die Warteliste Ihrer Sammler auf eine Arbeit ist lang, die Schaffensphase einer neuen Arbeit allerdings ebenso. Ein großes Format von 2 mal 3 Metern kostet Sie circa ein halbes Jahr Arbeit. Wie vereinbaren Sie beides miteinander?
Die Prozessdauer für das Format stimmt grundsätzlich, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Natürlich gibt es Werkstücke, die schneller gehen, und andere, die länger brauchen. Für einen Prototypen ist die genannte Zeitformel grundsätzlich korrekt. Wenn der jedoch einmal umgesetzt ist, geht es dann in dem Rest der Werkreihe doch etwas schneller. Manchmal quält man sich ja auch in so einem Schaffensprozess. Das frisst natürlich Zeit. Das heißt aber nicht, dass die Arbeit, die längere Zeit meiner Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, dann von höherer künstlerischer Qualität ist oder von mir mehr geschätzt wird. Die Zeit nehme ich mir ganz bewusst, um hierdurch auch mal andere Themen zu realisieren, die mir unter den Nägeln brennen.
Über einen langen Zeitraum ist so phasenweise weniger Kreativität als Handwerk gefordert. Sie haben diesbezüglich mal von Kunst als eine Art Fetisch gesprochen. Brauchen Sie also diese streckenweise Monotonie und arbeiten deshalb - anders als viele Ihrer Kollegen - bewusst ohne Assistenten?
Ich arbeite bewusst diese sehr aufwendigen Prozesse ab, weil ich mir auch wünsche, dass sich meine Arbeiten hierdurch auszeichnen, dass sie das charakterisiert und es somit natürlich auch genau in dieser Form für mein Werk von großer Wichtigkeit ist.
Das macht eine Art Aura aus, die um mein Werk liegt. Das kann man ja auch fast physisch spüren. Daraus baut sich dann auch der emotionale Wert, also die Verbundenheit zu meinen Arbeiten auf. Das physische Erleben schafft somit die emotionale Bindung. Ich schaffe den künstlerischen Wert in einem ganz klassischen Sinne durch Zeit und Arbeit, aber ohne dass es mir dabei um Perfektionismus geht. Deswegen kann ich auch fern von Moden in der Kunst agieren. Ich mache keine Modekunst, da ich mich meinem Werk dafür viel zu klassisch nähere. Wie bei klassischen Künstlern früherer Zeit stehen auch bei mir die Betrachter vor dem Werk und denken, was ist das denn für ein Wahnsinn, da so viel Arbeit rein zu stecken, und genau das möchte ich auch erreichen.
Sie haben eben von Prototypen gesprochen. Wie funktioniert Ihr Arbeitsprozess, wenn Sie eine neue Werkreihe wie beispielsweise die Dom-Arbeiten beginnen? Ist die Bildvorlage der Ausgangspunkt?
Nein. Zuerst kommt die Idee. Aus der Idee entwickelt sich ein Konzept. Darauf folgt die Bildmotivsuche. Dann stellt sich die Frage, ob es dieses Bildmotiv so für mich schon gibt oder ob ich losziehe und es selber fotografiere. Das ist aber auch nicht entscheidend. Wichtig ist, dass ich nach der Idee und dem Konzept das Motiv tatsächlich finde und sich die Reihenfolge auch so herum darstellt. Diese Idee ist mir sehr wichtig, da das Bild ja eigentlich nur dazu dient, diese zu verdeutlichen.
Ausgangspunkt Ihrer Materialauswahl war ein Gang zum Altpapiercontainer und ein dort vorgefundener Wellpappe-Block. Sind völlig andere Werkstoffe für Sie denkbar oder wird es vorerst bei dieser charakteristischen Komposition bleiben?
Diese Materialien werden mich sicherlich noch einige Zeit begleiten, aber im Grunde sehe ich mich darauf nicht festgelegt. Die Frage dabei ist, wie lange sie mich noch weiter bringen und inspirieren. Allerdings weiß ich auch heute nicht, wie ich künftige Materialentscheidungen treffen werde. Entscheidend ist doch eigentlich nur, ob das Material für die Idee funktioniert.
Ihre Arbeiten haben eine hohe Eigenständigkeit und sind durch Ihre einzigartige Technik unverwechselbar. Würden Sie zustimmen, dass diese Eigenschaften maßgeblich zu Ihrem künstlerischen Erfolg beigetragen haben?
Ich gehe sogar davon aus. Hierin liegt ja auch der unverwechselbare Werkcharakter meiner Arbeit. Danach suchte doch sogar die Alchemie, nach etwas Neuem. Das ist doch der alchemistische Prozess.
Hierin könnte man zwei Gefahren vermuten. Zum einen, dass Sie sich von der Technik vereinnahmen lassen, zum anderen, dass Sie es nicht tun, aber mit einer völlig anderen Arbeit nicht an die Erwartungen dieses Werkblocks anknüpfen können. Sehen Sie dies als künstlerische Hypothek?
Nein. Ein eindeutiges Nein. Weil mir das relativ egal ist. Ich spiele ja sogar damit. Das tue ich sowieso gerne und idealerweise auch mit allen Faktoren. Das heißt sogar damit, dass es mich teilweise vereinnahmt. Aber damit muss man als Künstler auch lernen umzugehen. Sonst ist man auch kein Künstler.
Meinen Sie mit Vereinnahmen den Druck, den Ihre Galeristen auf Sie ausüben oder über die Galerien durch die Sammler? Also den Druck, der vom Markt ausgeht?
Den Bedarf des Marktes will ich ja gar nicht decken. Das interessiert mich gar nicht. Meistens müssen Sammler leider ohnehin darauf warten, bis sie etwas erwerben können. Deshalb stellt sich die Frage so eigentlich gar nicht für mich. Das mag in einem höheren Preissegment anders sein, aber darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf.
Abschließend möchte ich Ihnen natürlich noch die obligatorische Frage nach den künstlerischen Vorbildern und Wegbegleitern stellen?
Das gab es für mich noch nie. Wenn überhaupt gehe ich dabei nach dem Menschen und nicht nach seinem Werk. Natürlich gibt es interessante Künstler, aber wenn ich in eine Ausstellung gehe, dann tue ich das ja nicht, um einen Künstler kennen zu lernen, sondern dann will ich gute Kunst sehen. Deswegen habe ich da keine Idole oder Vorbilder. Das kannte ich nie. Das gibt es für mich nicht. Dennoch interessiert mich natürlich durchaus das Œvre einiger Künstler und das kann selbstverständlich auch inspirierend sein, aber deswegen würde ich da niemanden auf einen Sockel stellen wollen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Rene S. Spiegelberger am 14. Januar 2013 im Atelier des Künstlers.