Ateliergespräche - Penny Monogiou

Liebe Penny, stimmt es, dass du deine allererste Ausstellung bereits im Alter von  8 Jahren gemeinsam mit deiner Oma hattest?

Ja, richtig. Bei ihr hatte ich die ersten Berührungen mit der Kunst. Sie malt selbst Ikonen und Stillleben, und lehrte mich jeden Sommer, als ich sie für drei Monate besuchte, ihre Tipps und vermittelte mir ihre Liebe zur Malerei. Als ich 8 Jahre alt war, hatten wir unsere erste gemeinsame Ausstellung im Kulturzentrum des Dorfes Nea Makri in Griechenland, in dem sie lebt. Es ist mein großer Wunsch, dass wir jetzt, 25 Jahre später, noch einmal eine gemeinsame Ausstellung realisieren können.

Dein Kunststudium ist dir also von deiner Familie in Griechenland in die Wiege gelegt worden?

Seit ich 4 Jahre alt war, wusste ich, dass ich mich der Kunst widmen wollte. Es stand   nie zur Diskussion, dass ich etwas anderes studieren würde. Meine Familie akzeptierte meine Entscheidung nicht nur, sondern unterstützte diese auch nachdrücklich.

Das ist eine komfortable Ausgangsbasis. Aber was faszinierte dich dann an der Ikonenmalerei?

Mein Hauptstudienfach war Malerei. Die Ikonenmalerei habe ich dann im Nebenfach studiert. Obwohl ich nicht eng mit der griechisch-orthodoxen Kirche verbunden bin, hat sie mich wegen ihrer Mysteriosität fasziniert. Mysteriosität in dem Sinne, dass man einer heiligen Person ein Gesicht gibt, das aufgrund der strengen Regeln der Ikonenmalerei immer erkennbar ist. Der Prozess von der Vorbereitung des Holzes über die Vergoldung der Ikone bis hin zum Mischen der Farben nach einem traditionellen Rezept war für mich ebenfalls eine wundersame Reise.

Zumindest von dem typischen Goldgrund der Ikone hast du dich in deiner künstlerischen Entwicklung recht schnell verabschiedet. Auf welche Elemente der griechisch-orthodoxen Ikone greifst du in deinen aktuellen Werken weiter zurück?

Der Heiligenschein ist ein Symbol, dass sich bis heute häufig in meiner Arbeit wiederfindet. Auch die Körperhaltung der Figuren in meinen Gemälden erinnert oft an Heiligenfiguren. Das Motiv der Heiligen Maria ist ebenfalls ein Motiv, das mich fasziniert und in meinen Werken in verschiedenen Versionen auftaucht, wie zum Beispiel die von der griechisch-orthodoxen Kirche als Motiv wahrscheinlich verbotene stillende Maria von mir, bei der die Brust zu sehen ist.

Die Motive deiner Malerei sind sehr vielseitig. Beispielsweise setzt Du Frauen aus bekannten Werken der Kunstgeschichte ins Bild, wie Das Schokoladenmädchen oder Whistlers Mutter, ebenso arbeitest Du dich aber auch an dem Fries des Pantheons ab.  Was inspiriert dich zu deiner Figuration?

Mich faszinieren verschiedene Dinge in denen ich dann Inspiration finde. Der Mensch steht bei meiner Arbeit immer im Mittelpunkt. Deshalb schöpfe ich aus menschlichen Figuren, egal ob es sich um lebende Personen, Statuen von Parthenon und Akropolis oder fiktive Figuren handelt. Verschiedene Charaktere oder persönliche Geschichten von Menschen werden dann zur treibenden Kraft für die Entstehung der Werke. Als ob ich Traumata oder emotionale Ausdrücke auf die Leinwand übersetzen und übertragen könnte. Die Farbe dient dann als Werkzeug für diese Emotionen der verschiedenen Charaktere und verleiht ihnen ihre Kraft. Deshalb sind die meisten meiner Kunstwerke geradezu bunt.

 Deine Portraits sind durch Ihre Titel Emil, Eleonora oder Paolo (jeweils 2020) individualisiert, doch scheinen deine Figuren alle unter derselben inneren Anspannung zu leiden, die sich in ihren verzerrten Gesichtern zeigt. Was bedrückt diese Drei denn so sehr?

Was ist es, das die Menschen in unserer heutigen Gesellschaft so sehr bedrückt? Es  gibt viele verschiedene Probleme. So individuell wie wir untereinander sind, so individuell wirken diese Probleme auf jeden von uns. Sicher ist, dass die Menschheit mit vielen wichtigen Themen konfrontiert ist, die ihre Spuren in der menschlichen Seele hinterlassen. Das allererste Porträt, das so verzerrt aussah und als Grundstein meiner künstlerischen Sprache gilt, habe ich 2008 in Athen gemalt. Beeinflusst von den Bildern des Alltags, die die Finanzkrise in Griechenland Anfang 2008 hervorgebracht hat, nahm meine Malerei diesen expressionistischen Charakter an. Mit einem Atemzug hat sich das Leben vieler Menschen drastisch verändert. Diese Angst, die Wut, die Traurigkeit haben einen starken Einfluss auf meine Wahrnehmung der Umgebung und entfalten sich in meiner Malerei. Die Malerei wurde zu meinem Ausdrucksmittel, um diese Grausamkeit loszulassen. So entstand 2008 die erste Serie mit den fratzenhaften, monströsen Gesichtern. Porträts, die das ganze Chaos der Zeit in sich tragen. Die folgenden Porträts der Serie sind von einem anderen Aspekt des heutigen Lebens beeinflusst. Das Zeitalter der sozialen Medien. Gesichter sind heute kaum noch zu erkennen, weil alle ständig auf ihre Bildschirme schauen und jeder Ausdruck in der Zweidimensionalität eines virtuellen Kosmos verschwindet.

Du hast schon in vielen verschiedenen Ländern ausgestellt wie, Zypern, Frank-reich Griechenland oder der Türkei. Eines deiner Werke im öffentlichen Raum ist besonders präsent. Was ist das Konzept dieser Installation am Athener Flughafen?

Die Installation auf dem Athener Flughafen besteht aus drei riesigen Aluminiumkoffern, die mit einer Schicht aus Latex umhüllt sind, auf die kleine menschliche Figuren gedruckt sind. Das Konzept steht in engem Zusammenhang mit diesem Ort, nicht nur wegen des Symbols des Koffers, sondern auch, weil Latex ein wandelbares Material ist, das sich mit dem Wetter und den Jahren verändert. So wie sich Menschen und Gesellschaften im Laufe der Jahre, durch die Globalisierung und den Kontakt mit anderen Kulturen verändern. Flughäfen spielen dabei eine wichtige Rolle. Tatsächlich werde ich aber bald nach Athen reisen, um die Installation zu restaurieren. Es scheint, dass mein Experiment wirklich gut funktioniert hat!

In Deinem künstlerischen Kommentar zur Ausstellung DIE NEUEN BILDER DES AUGUSTUS im Bucerius Kunstform weist du in 30 Porträts auf die einflussreichen, mächtigen und scharfsinnigen Frauen hin, die zu seiner Zeit das römische Reich mitgeprägt haben. Wie funktioniert deine Intervention genau?

Die Frauen dieser Epoche werden in Form von Gemälden in der Größe von 24 x 18 cm porträtiert. Zuerst recherchiere ich die unterschiedlichen Charaktere von ihnen und dann 'übersetze' ich sie in Malerei mit einer an die persönlichen Elemente angepassten Farbwahl. Die Porträts werden dann als Objekte in einer install­­­­ativen Form im Raum stehen. Ein weiterer Punkt, den ich mit dieser Serie anspreche, ist die Farbe in der Antike. Dass die Vergangenheit meist ein Konstrukt unserer heutigen Vorstellungen ist, beweisen die antiken Statuen. Denn diese hatten nicht die Farbe von Marmor, sondern viele kräftige Farben. Diese ungebrochene Kraft der Farbe versuche ich in den Porträts dieser Serie wiederzugeben. 

Diese vier Persönlichkeiten Julia, Livia, Agrippina die Ältere und Agrippina die Jüngere hatten jede für sich eine unglaubliche Lebensgeschichte. So viel Drama, Mord, Totschlag und Intrige passt in keine Daily-Soap. Können wir aus diesen Biografien etwas lernen oder sollten wir einfach dankbar sein, dass die mächtigen Frauen des 21. Jahrhunderts kaum noch Gefahr laufen von ihren eigenen Söhnen umgebracht zu werden?

Du hast gerade das griechische Drama und die Grundlage des griechischen Theaters beschrieben! Es ist in der Tat so, dass Völker wie die Griechen zu extremen Gefühls-ausdrücken neigen und bestimmte Situationen dramatisieren. Das verleiht dem Alltag eine theatralische Note, sollte aber meiner Meinung nach mehr auf die Bühne und weniger ins Privatleben gehören. Bereits Aristoteles empfahl in seiner Dramentheorie, dass die Charaktere der Figuren auf der Bühne nicht zu überladen sein sollten, damit  das Publikum sich mit ihnen identifizieren kann. Wir leben heute in einem Land wie Deutschland in einer Zeit, in der sich viele Frauen als stark erwiesen haben und ihre Position in der Gesellschaft erringen konnten. Solche Frauen brauchen kein Drama und keine Intrigen, von denen die Geschichte schon genug gehabt hat.

Welche Rolle spielen die genähten Elemente der Unikat XVI Werkreihe als weibliche Stereotypen in diesen Portraits der Frauen der Nero Dynastie?

Die Technik des Nähens ist eine Technik, die meine griechische und zypriotische    Kultur prägt. Wie Du sagst, war es eher eine Technik, die typischerweise von Frauen angewandt wurde und die auch heute noch lebendig ist. Ich verwende sie in den Bildern dieser Serie, um den Werken eine gewisse Zärtlichkeit zu verleihen. Zärtlichkeit. Eigentlich das Gegenteil von was diesen Frauen unterstellt worden.

Spätestens seit der Wiederentdeckung der Antike in der Renaissance ist das antike Schönheitsideal allgegenwärtig und prägt uns noch heute. Wie ist dein Verhältnis zu dessen Schönheitsideal?

Meine Gemälde stellen generell Schönheitsideale in Frage. Wer entscheidet eigentlich was schön ist, was eine ‚schöne Frau‘ ist? Dem antiken Schönheitsbild wird oft vor-geworfen, selbst dem Hässlichen und Ephemeren eine runde, ewige Vollkommenheit zu verleihen. Deshalb fühlte ich mich auch von dieser vermeintlichen Schönheit angezogen und wollte sie durch eine Übertragung vom plastischen ins menschlich-malerische hinterfragen.

Wie drückt sich das in diesen Werken konkret aus?

In der Porträtserie behandle ich diese Frauen als menschliche Wesen und nicht als Skulpturen, wie sie uns die Antike heute präsentiert. Ihre Schönheit wird durch die Farbe und den Pinselstrich zerbrechlich, die Züge brüchiger. Ich gebe sie in Form von Gemälden auf Leinwand wieder und überlasse es jedem Einzelnen ihrer Betrachter zu entscheiden, ob es sich um Frauen handelt, die den Schönheitsidealen entsprechen oder nicht.

In einem Werkzyklus, der diesem artverwandt ist, hast du dich mit alten Meistern auseinandergesetzt. Was reizte dich an dem Thema und magst du auf diese Charaktere noch etwas eingehen?

Gerne. Ein Besuch im Zwinger Museum in Dresden, als ich 2018 Artist in Residence     an der Baumwollspinnerei in Leipzig war, reichte zur Anregung für diese expressive Porträtserie. Obwohl mir die alten Meister den größten Respekt einflößen und ich Stunden damit verbringen kann, ihre Technik zu beobachten, zu bewundern und zu studieren, sahen die in den Kunstwerken der Museumssammlung dargestellten Menschen so weit entfernt von unserer heutigen Gesellschaft und unseren heutigen Vorstellungen vom Menschen aus. Lea Asbrock schrieb in einem Text diese Werkreihe von mir: Die Künstlerin kreiert Figuren, die historische Schönheitsideale aufgreifen und gleichzeitig mit ihnen brechen. Eine Frau im barocken Kleid mit Blumenbouquet, eine farbenfrohe Madonnen Darstellung, ein feiner Herr im Anzug - doch ihre Gesichter sind entstellt. Wulstige Nasen, übergroße Köpfe und verzerrte Münder lassen die Rezipienten stutzen und näher herantreten. Die vehemente Suche nach etwas Vertrautem, einer bekannten Gefühlsregung oder einer identifizierbaren Mimik, bleibt erfolglos. Die Alten Meister haben schon immer eine Rolle in meiner Arbeit gespielt, aber seither haben sie einen besonderen Platz für mich als Inspirationsquelle eingenommen.

Humor ist etwas, das mich als Person und nicht nur als Künstlerin ausmacht. Ich gehe gerne positiv durchs Leben, und guter Humor ist für mich das beste Rezept dafür. In meiner Arbeit würde ich nicht so sehr von Humor als vielmehr von Sarkasmus sprechen. Er ist meine persönliche Reaktion auf viele, manchmal tragische Phänomene, die in der Welt passieren. 

Das Gespräch mit Penny Monogiou führten Nora Niefanger und Rene Spiegelberger am 21. Juli 2022 im Hamburger Atelier der Künstlerin.