Faltungen & Skulpturen

Künstlereinführung

Ohne Titel (Spiegel), 2007, 50 cm x 75 cm, Spiegelberger Stiftung

Mit seinen Faltungen aus weißem Papier schafft Simon Schubert faszinierend anschauliche Räume, völlig ohne den Einsatz von Pinsel und Farbe. Erst durch Lichteinflüsse werden die detailreichen Bilder sichtbar.

Flur EG 2, 2010, 42 cm x 59,4 cm

Ohne Titel (Spiegelflure), 2007, 180 cm x 125 cm, Spiegelberger Stiftung

Oft zeigen sie Raumfluchten in allen innenarchitektonischen Einzelheiten: Backsteine im Gemäuer eines Kaminzimmers, die Struktur der Holzdielen auf einem Flur, jede Leiste, jeder Türrahmen wird von Schubert erfasst. Das Nichtvorhandensein der Farbe scheint bei seinen Werken irrelevant. Im Gegensatz zum klassischen, auf einer Fläche gemaltem Bild, haben Schuberts Werke eine durch die Faltungen entstehende Tiefe. Licht und Schatten werden benötigt, um das Motiv sichtbar zu machen und gleichzeitig können sie gezielt eingesetzt werden – die Wirkung wird maßgeblich beeinflusst. Seine Arbeiten befinden sich zwischen Zwei- und Dreidimensionalität. Er bearbeitet das Papier als Material, statt es als reine Projektionsfläche zu nutzen.

Installationsansicht „Blind Space“, Abtei Brauweiler, 2013 Fotograf: Maurice Cox

Installationsansicht „Blind Space“, Abtei Brauweiler, 2013 Fotograf: Maurice Cox

In seiner Ausstellung „Blind Space“ ist sein Paperwork Bild, Rahmen und Ausstellungswand zugleich. Schubert umbaut die Säulen im Saal einer Klosteranlage mit seinen weißen Papierwänden und ersetzt so die tatsächliche Architektur durch gefaltete. Die Faltungen im Papier bilden Paneele und Blumendekoration heraus. Die Bilder an den Papierwänden zeigen Ansichten des Säulensaales. Schubert ersetzt die reale Architektur durch eine fiktive Geschichte, die er erzählt und vorgibt. Er gibt dem Betrachter die Möglichkeit, einen Blick in eine Welt aus Papier zu werfen.

Flur EG 8, 2010, 42 cm x 59,4 cm

In Schuberts Unikat-Werkreihe begleitet der Betrachter ein nur schemenhaft erkennbares Kind durch die Räume einer Villa in hundert aufeinanderfolgenden Faltungen. Es durchläuft alle Zimmer des Hauses, welches auf einem digitalen, dreidimensionalen Entwurf basiert. Jeder Blickwinkel wird von Schubert perspektivisch exakt in seinen Faltungen umgesetzt. Die Bilder eröffnen eine eigene Welt, konfrontieren den Betrachter jedoch mit vielen Geheimnissen: Wird ein Zimmer gezeigt, so fragt man sich schon, was sich hinter der nächsten Tür befindet. Sie laden dazu ein, sich gedanklich einzuleben.

Schlafzimmer 5, 2010, 42 cm x 59,4 cm

 

 

Schlafzimmer 7, 2010, 42 cm x 59,4 cm

Schlafzimmer 9, 2010, 42 cm x 59,4 cm

 

Die einzelnen Faltungen der Reihe sind in einem zugehörigen Stop-Motion-Film aneinandergereiht, sodass man den Schritten des Kindes folgen kann. Die Villa wird durch mehrere Ansichten pro Zimmer erfahrbar. Auch wenn das Gebäude menschenleer ist, so wirken die Flure und Räume eher heimisch als fremd. Im Bild an der Wand des Schlafzimmers loopt sich der Film, dort ist wieder das Anfangsbild aus dem ersten Raum der Reihe zu erkennen.

Faltungen in Stop-Motion-Film anschauen

Der Reigen, 2006, Installation aus sieben lebensgroßen Skulpturen 105 cm, ø 160 cm Roberts Collection, London

Argode, 2009, Objekt (Leder, Leuchtdioden, Spione, Holz), 50 cm x 50 cm x 50 cm, Privatsammlung Deutschland

Argode (Innenansicht), 2009, Objekt (Leder, Leuchtdioden, Spione, Holz), 50 cm x 50 cm x 50 cm, Privatsammlung Deutschland

Die Skulpturen Schuberts ziehen den Betrachter mit ihrer geheimnisvollen Andersartigkeit in den Bann. Seine Objekte verwandeln aus dem alltäglichen Leben bekannte Materialien in neue, unbekannte Gegenstände. Andere Skulpturen verbergen ihre Gesichter hinter Haaren, ihre Körper wirken sympathisch menschlich und gleichzeitig unheimlich und befremdlich. In Bezug auf künstliche Figuren wird auch vom „Uncanny Valley“ gesprochen. Figuren mit menschlichen Eigenschaften werden bis zu einem bestimmten Punkt akzeptiert, sind sie jedoch sehr realistisch, fallen dem Betrachter zunächst die Mängel ins Auge und das Unmenschliche. So wirken Roboter beispielsweise ansprechender auf Menschen, wenn sie grundsätzlich wie eine Maschine aussehen.

Ohne Titel (Frau in ihren Haaren badend), 2006, Skulptur, 75 cm x 66 cm x 290 cm, Privatsammlung Hamburg

In einer massiven, weißen Wanne liegt eine Frau mit aufgerichtetem Oberkörper, völlig bedeckt von den eigenen schwarzen Haaren. Sie fließen vom Kopf herab und ummanteln die darunter liegende Figur. Auch wenn kein Wasserhahn an der Wanne zu sehen ist, kein Wasser, und wir den Körper unter den Haaren nur vermuten können, so denken wir doch an eine badende Frau. Schubert bearbeitet bekannte Bilder wie den badenden Frauenkörper oder eine Gruppe von Kindern und spielt mit den Assoziationen des Betrachters – er entfremdet, entfernt, verhüllt.

Federjunge, 2009, 120 cm x 40 cm x Mixed Media, Privatsammlung

Die Skulpturen konfrontieren den Betrachter immer wieder mit Grenzen. Auf der einen Seite bieten sie viele Details und eine feine Ausarbeitung, auf der anderen Seite verschließen sie sich dem Gegenüber, wie ein privater Instagram-Account. Sie verleihen einen Eindruck, behalten aber vieles von ihrem Innenleben für sich. Ein wiederkehrendes Motiv bei Simon Schubert ist die Gesichtslosigkeit der Figuren. Sie verunsichert, thematisiert jedoch gleichzeitig auch Isolation und Zerbrechlichkeit.